Sunday, August 29, 2010

nachschlag, nachtrag, exercise

Schleis, 25. Juli, 2010

Ein Gesicht wie Samuel Beckett. Zwei Spazierstöcke, ein schwarzer Anzug. 'Pfiat eich.' Pfiat di.' Oder doch dunkles Blau? Eine Brille mit Goldrand, braun getönte Gläser, ein ebenfalls dunkler Anzug, eine Krawatte mit diagonal verlaufenden Streifen in gelb und dunkelbraun. 'Pfiat eich,' 'Pfiat di.' Der dunkelbraune Kleinbus fährt vor und hält vor der Infotafel, die leicht für eine Bushaltestelle gehalten werden könnte. Er hält am Dorfplatz, der keiner ist, sondern eine Straßenkreuzung gegenüber vom Gasthof. Der richtige Dorfplatz wird wohl weiter hinten im Dorf sein, bei der Kirche, gegenüber vom zweiten Gasthof, vom Kirchenwirt.


Eine hölzerne Tafel, zusammengezimmert aus Brettern, vermutlich Lärche–davon gibt's ja hier genug,–nur wetter- und wind-behandelt, oder 'gegerbt,' wie es heisst, und desshalb ganz grau, hellgrau, und zwischen den Brettern tun sich Spalten auf, und die Astlöcher sind längst herausgefallen. Das Holz 'arbeitet,' wie man sagt, oder es hat gearbeitet, aber es geht ja wohl nie in Pension das Holz, es arbeitet und arbeitet. Eine Bank davor, aus Holz, städtisch beinahe, Eisenfüsse, ein Querbalken als Rückenteil der mit Schwung in den Sitzteil übergeht, wie aus einem Stück gegossen, wie man sagt, nur dass Holz nicht gegossen wird. Wäre aber schön. Über der Tafel jedenfalls ein Aufsatz, ein Brett mit Bemalung–unvollendet wie jene am Haus dahinter–und links und rechts zwei Kapitälchen schön gedrechselt. Woher kommt bloss dieser Gestaltungswille? Aus der Umgebung? Vom Holzkreuz, das viel weiter links hängt, und alt zu sein scheint? Sehr alt, ganz einfach ein Kreuz mit Gekreuzigtem drauf, nicht viel mehr und auch nicht weniger, so viel muss schon sein.
Ein anderer Kleinbus hält, silbergrau, deutsches Kennzeichen. Das passiert hier öfter, es ist nicht wirklich der Dorfplatz ,aber eine der wenigen Stellen im Dorf, die fast vierspurig sind. Wo im Dorf Platz ist, muss damit gerechnet werden, dass er genutzt wird. Denn das Dorf ist eng, das Tal ist schmal, die Felswände, die es umgeben, sind steil abfallend. Die engen Täler sind für einspurige Zufahrtswege geeignet, die sich öffnende Talsohle für Wiesen und Obstbau. Oder beides. Das Dorf liegt am Rande der breiten Talsohle und noch nicht ganz in der Klamm, aber im Schatten.
Rechts an der Holztafel ist eine Zeitungstasche angenietet. Ein Fremdkörper, Z am Sonntag, kostet einen Euro, den hoffentlich niemand zahlt, wenn die Tasche schon offen ist. Wer solche Systeme benutzt, muss damit rechnen, bestohlen zu werden. Auf der Tafel selbst, mit Reissnägeln angebracht, ein Plakat für 'Xong,' ein Musikfestival, alternative Volksmusik im Dreiländereck, blauviolett mit schwarzer Schrift. Daneben Ankündigungen für den 11. Reschenlauf, ein Zeltfest und schliesslich der Busfahrplan.

No comments: